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Was dürfen wir der Natur entnehmen?

„Netzstieliger Hexenröhrling“, „Lungenseitling“ und „Krause Glucke“ – einige Pilznamen wirken wie nicht von dieser Welt. Pilze sind schließlich auch keine Pflanzen, sondern bilden als „Fungi“ eine eigene Lebensform, die auch in Kunst und anthropologischer Forschung Faszination auslöst.

Auch werden Pilze wieder beliebter, wenn es um die Erkundung von Fleischalternativen geht und mehr und mehr Speisepilze werden aufgrund ihrer Texturen und Geschmacksnoten neu entdeckt. Für zuhause gibt es mittlerweile sogenannte Pilzboxen zur Selbstanzucht von Limonenpilzen bis zu Austernseitlingen und Champignons.

Im Ökosystem erfüllen Pilze mindestens zwei Funktionen: Als Destruenten zersetzen bzw. „recyclen“ sie Stoffe wie Holz, Laub oder Horn und geben dabei gewonnene Stoffe wie Stickstoffverbindungen an den Boden ab, was wiederum Pflanzen und Tieren dient. Zudem gehen sie symbiotische Beziehungen mit Pflanzen ein: dies geschieht beispielsweise durch Flechten an Bäumen, die dem Baum Wasser und Nährstoffe zuleiten und gleichzeitig von den aus ihm bezogenen Vitaminen, Zuckern und Eiweißen leben.

Sollte man Pilze also überhaupt sammeln?

Zwar sind in Deutschland laut BUND rund ein Drittel der hiesigen Pilzarten sehr selten oder gefährdet, dies liegt aber vielmehr an intensiver Landnutzung als am Pilze sammeln – insbesondere, wenn diese nur vorsichtig aus dem Boden herausgedreht oder abgeschnitten und nicht am Weiterwachsen gehindert werden. Hochsaison haben Pilze grundsätzlich zwischen August und Oktober, mancher Winterpilz braucht aber auch niedrige Temperaturen um den Nullpunkt, um einen Fruchtkörper auszubilden und ist in der Nähe von Laubbäumen teilweise noch bis Februar zu entdecken. Der NABU empfiehlt unerfahrenen Sammler:innen sich auf leicht erkennbare Arten wie Röhrlinge zu fokussieren und listet eine Reihe von Terminen zu Pilzexkursionen und -Beratungen auf. Denn so kann man, begleitet von erfahrenen Sachverständigen lernen, worauf zu achten ist und selbst immer sicherer werden. Gute Pilzbestimmungsbücher findet man ebenfalls zahlreiche, teilweise mit Fokus auf eine überschaubare Anzahl der sichersten Pilzarten. Im Zweifel gilt: uneindeutige, bereits schimmelnde oder von Tieren angefressene Pilze lieber stehen zu lassen. Der Verzehr von verdorbenen Pilzen kann nämlich eine Lebensmittelvergiftung hervorrufen. Man spricht dann auch von einer „unechten Pilzvergiftung”.

Wo kann man außerhalb von Wäldern sinnvoll sammeln?

Auch Wiesenpilze können schmackhaft sein, so Wiesen-Champignons, die sich an ihren rosafarbenen oder braunen Lamellen von giftigen Doppelgängern unterscheiden lassen. Der Deutschen Gesellschaft für Mykologie – das bedeutet „Pilzkunde“ – zufolge werden Wiesenpilze wie dieser jedoch durch Güllebelastungen der Böden seltener. Übrigens bietet die Gesellschaft für Mykologie neben Informationen auf ihrer Webseite auch Weiterqualifikationen an: Diese reichen vom PilzCoach mit Grundwissen bis zum Pilzsachverständigen, der zudem über ökologische Zusammenhänge, Gesetzesgrundlagen und Schutzbestimmungen hinsichtlich Pilze beraten kann.

Das Sammeln über Pilze hinaus fördert die Initiative Mundraub, die 2009 gegründet wurde. Sie vertritt die Position, dass das Sammeln bzw. Pflücken von Obst und mehr das Bewusstsein für Saisonalität, Regionalität und die Bedeutung der essbaren Landschaft stärkt. Ähnliche Ziele mit einem starken Fokus auf der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung verfolgt die bundesweite Ernteaktion „Gelbes Band“, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit Zu gut für die Tonne! ausgerufen hat: Wer Obstbäume oder -sträucher besitzt, kann freiwillig durch ein gelbes Band zeigen, dass ein Abernten erwünscht ist. Das Projekt unterstützt sie dabei mit Sensibilisierung und Infomaterial zum Thema: Vorteil ist die entstehende Unterscheidbarkeit zwischen privaten Bäumen, die von Eigentümern geerntet werden und freigegebenen Bäumen. Nachteil bleibt die Tatsache, dass Obstbäume Kulturpflanzen sind, die auch über die Ernte hinaus gepflegt werden müssen, damit sie wachsen und alt werden können.

Im Resümee zeigt sich, dass es in Deutschland eine starke Infrastruktur aus Initiativen und Expert:innen gibt, die beim achtsamen Sammeln von Pilzen und Früchten aller Art unterstützen und sich dabei selbst Standards des Umwelt- und Ressourcenschutzes verpflichten. So steht dem informierten Sammeln an der frischen Luft nichts im Wege – ob im nächsten Sommer bei Obst und Co. oder in der aktuellen Pilzhochsaison.


Stand: Oktober 2023