Food Innovations – Was tut sich?
Der Lebensmittelmarkt entwickelt sich stetig weiter. Gerade das Angebot pflanzenbasierter und veganer Produkte hat merklich zugenommen – laut Statistischem Bundesamt stieg der Marktwert allein der in Deutschland produzierten Fleischalternativen von 2021 auf 2022 um 17% auf 537,4 Millionen Euro an. Aber welche Food Trends sind nun wirklich neu und vielversprechend – und wo handelt es sich lediglich um gutes Marketing?
In puncto Neuartigkeit gibt es beide Seiten: Innovationen, die zuvor nicht möglich waren, z. B. der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung oder In-vitro-Fleisch, aber auch Wiederentdeckungen und Neubenennungen: Indem beispielsweise altbekannte Lebensmittel wie Sauerkraut, Kohl oder Beeren seit ein paar Jahren als Superfoods gerahmt werden.
Was verbindet Food-Innovateure im Bereich Nachhaltigkeit?
Was Schlagworte wie planetare Grenzen, Regenerative Food oder der True Cost-Ansatz miteinander gemeinsam haben, ist ihre grundsätzlich ähnliche Zielrichtung: Bei Neuerungen im Lebensmittelbereich soll Ökologie untrennbar mit dem Innovationsbegriff verschmelzen, was bedeutet: keine Entwicklung auf Kosten des Planeten – ein ganz anderer Innovationsbegriff als jener, der ausschließlich auf Neuheits- und Marktwert von Produkten zielt. Dabei wird Nachhaltigkeit zum Teil auch in ihrer sozialen Dimension beachtet: nicht nur sollen ökologisch weniger ressourcenintensive Produkte entstehen, sondern auch die an der Wertschöpfungskette beteiligten Menschen unter angemessenen Bedingungen arbeiten.
Unternehmen und Organisationen achten dabei vermehrt auf die Schaffung fairer Arbeitsbedingungen, die Beseitigung von Kinderarbeit, die Gewährleistung existenzsichernder Löhne und die Einhaltung von Menschenrechtsstandards entlang ihrer möglichst transparenten Lieferketten. Innovationen beinhalten auch die Förderung von Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz. In vielen Ländern werden rechtliche Rahmenbedingungen erlassen – wie das Lieferkettengesetz in Deutschland – um Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen und sicherzustellen, dass sie soziale und ökologische Standards einhalten. Zusätzlich geben Siegel, wie beispielsweise das Fairtrade-Siegel, die Richtung an.
Akteure in dem Bereich ökologische Nachhaltigkeit sind vielfältig und finden sich in verschiedenen globalen Netzwerken wieder. Ein verbindender Begriff aus der Szene ist die Planetary Health Diet: hierunter versteht man im Allgemeinen eine gesunde Ernährung aus ökologisch nachhaltiger Produktion, die planetare Belastbarkeitsgrenzen beachtet. Ernährung soll in diesem Verständnis nicht nur unser eigenes Wohlbefinden, sondern die Gesundheit des gesamten Planeten berücksichtigen. Auch der WWF bringt das aktuelle Ernährungssystem mit Gefährdungen wie Wasserknappheit und Verlust von Artenvielfalt sowie einer Rhetorik des Genusses in Verbindung und veröffentlichte kürzlich einen kulinarischen Kompass für „Besseresser:innen“ mit begleitenden Wochenmenü-Vorschlägen.
Wo setzen Lebensmittelinnovationen an?
Angesetzt wird unter anderem bei der Wertschöpfung: So wird aktuell das in der Kakaoproduktion anfallende ungenutzte Fruchtfleisch der Kakaofrucht beliebter, aus dem sich unter anderem süßes Kakaowasser gewinnen lässt. Dieses Abfallprodukt ermöglicht ein höheres Einkommen für Kleinbauern und -bäuerinnen in Ländern wie Ghana und der Elfenbeinküste.
Auch Verpackung wird neu gedacht, etwa in Form essbaren Bestecks: Manche Eisdielen benutzen beispielsweise aus Schalen der Kakaobohne hergestellte, leicht schokoladig schmeckende vegane Löffel. Zudem wird zu alternativen essbaren Beschichtungen und Hüllen geforscht, die Lebensmittel haltbarer machen und so Verschwendung vorbeugen sollen. Dabei sollen nicht-tierische Proteinkombinationen (z. B. aus Pflanzen, Algen oder Pilzen) gefunden werden, die ähnliche Eigenschaften wie Kollagen haben und vielseitig genutzt werden könnten.
Potenziale alternativer Proteinquellen
Da die Fleischproduktion wesentlich zur Erderwärmung beiträgt, ist der Innovationsdruck im Bereich alternativer Proteine hoch und spielt im Diskurs um Lebensmittelinnovationen eine entsprechend große Rolle. Denn mittlerweile verbreitet sich das Wissen um die hohen ökologischen Kosten der Erzeugung tierischer Lebensmittel und es besteht großes Potenzial zur Ressourceneinsparung.
Dennoch steht bei vielen Menschen die Frage im Raum, ob vegane oder vegetarische Ersatzprodukte in allen Fällen gesünder und nachhaltiger als (ökologisch erzeugte) Tierprodukte sind. Parallel nehmen Diskussionen um sogenanntes In-Vitro- oder „Laborfleisch“ Fahrt auf, dessen langfristige Umweltbilanz bisher allerdings unklar ist. Vielversprechend erscheint die Lupinen- und Erbsenproteinproduktion, da hier mit vergleichsweise geringem Energieaufwand hochwertige Proteine auch regional in Deutschland hergestellt werden können. An sich neu sind Lupinen als heimische Eiweißquelle – die noch dazu glutenfrei ist – nicht: sie wurden schon im alten Ägypten verwendet. Während gegarte Erbsen mit ca. 7 g Protein pro 100 g aufwarten können, sind es bei Lupinen rund 36 g. Startups und etablierte Hersteller kreieren heute alles von Aufstrichen über Dessert bis zu Fleischalternativen – aus Lupinen.
Leicht ist die Etablierung gänzlich neuer Lebensmittel am Markt aber nicht. Denn in EU-Staaten gilt die sogenannte Novel Food Verordnung, die Lebensmittel vor Markteintritt erfüllen müssen: Seit 2015 gibt es hierfür ein zentralisiertes Bewertungs- und Zulassungsverfahren. So ist es beispielsweise seit 2018 europaweit legal, Insekten zu Speisezwecken zu züchten, wenn entsprechende Auflagen eingehalten werden. Da Ernährung aber nie eine rein rationale und ökologische Abwägung, sondern immer auch Genuss und Kultur ist, bleibt offen, wie weit sich ökologisch nachhaltigere Nährstoffquellen durchsetzen werden.
Stand: November 2023
Zum Thema:
Infografik „Nachhaltige Proteine im Fokus“ (zum Download)